In diesem Blog erfährst Du, was es heisst, wenn ein Hund an Tetanus erkrankt – mit einem Fallbericht aus meiner Praxis:
Vor ein paar Monaten kam ein Hund namens Mokka (Mix, 10jährig, erst seit 3 Monaten aus einer Tötungsstation bei seinem neuen Besitzer in der Schweiz) zu mir in die Praxis, nachdem er die Diagnose Tetanus erhalten hatte und behandelt wurde.
Da eine Infektion mit Tetanus selten ist und es noch seltener ist einen solchen Hund zu behandeln, wollte ich über diesen Fall berichten.
Was seinem Besitzer Enrico aufgefallen war und welche Untersuchungen und Behandlungen gemacht wurden, beschreibe ich weiter unten.
Zuerst aber einige allgemeine Informationen über diese Infektionskrankheit:
Was ist Tetanus?
Tetanus oder auch Wundstarrkrampf ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Clostridium tetani ausgelöst wird. Clostridium tetani produziert das Nervengift Neurotoxin Tetanospasmin, das lokale oder generalisierte, schmerzhafte und tonische Muskelspasmen hervorruft. Nicht behandelt führt diese Krankheit meist zum Tod.
Wie kann sich ein Hund mit Tetanus infizieren?
Wie auch beim Menschen können sich Hunde durch Verletzungen, Schnittwunden mit Scherben, scharfen spitzen Gegenständen etc. mit Wundstarrkrampf infizieren. Wenn Erde, Dreck oder Stallmist in die Wunde gelangt, kann dies gefährlich werden. Bei einer Infektion mit Wundstarrkrampf gelangt das Bakterium Clostridium tetani in den Körper des Tieres und produziert, wie bereits erwähnt, ein gefährliches Nervengift, das zu einer Verkrampfung jeglicher Muskeln führen kann. Wenn das Toxin in das Rückenmark und Gehirn gelangt, greift es die Funktionen der Nervenzellen an oder hemmt diese, was eine tonische Muskelspannung (-verkrampfung) zur Folge haben kann. Diese Muskelspasmen können unbehandelt zum Tod führen.
Hunde sind im Gegensatz zum Menschen oder anderen Säugetieren viel unempfindlicher gegenüber dem vom Bacterium gebildeten Toxinen und es gibt nur wenige Infektionen mit Tetanus beim Hund. Deshalb wird auch von einer Impfung abgesehen.
Symptome von Tetanus/Wundstarrkrampf
Die Symptome der Krankheit können nach mehreren Tagen bis ca. 3 Wochen auftreten. Deshalb sind die Eintrittspforten des Erregers meist nicht mehr nachweisbar, die Verletzung liegt schon zu lange zurück oder war im Zahnfleisch.
Beim Hund tritt die lokalisierte Tetanusform häufiger auf als die generalisierte. Bei leichten Fällen kann sie sich auf einzelne Muskelgruppen oder nur auf einen Infektionsort beschränken. Bei schweren Fällen sind sämtliche Muskelgruppen wie auch die Atmungs- und Schluckmuskulatur betroffen.
Mögliche Symptome:
Steife Hinterbeine oder eine Hinterhandschwäche
Gestelzter, unsicherer Gang und Muskelstarre einer oder mehrerer Gliedmaßen
Steife und gestreckte Rute
Sägebockstellung
Eingeschränkte Beweglichkeit z.B. beim Drehen oder Mühe beim Aufstehen haben
Eine Überempfindlichkeit auf Licht, Geräusche oder Berührungen
Tonische Muskelspasmen am Kopf oder dem ganzen Körper
Verkrampfung der Kopfmuskulatur: Stirnfaltenbildung, Ohren sind permanent nach oben und innen gezogen, Rückwärtsziehen der Maulwinkel (verkrampftes Grinsen), Speichelfluss, starrer Blick, Hervortreten der Nickhäute, Lidspaltenverengung oder auch aufgesperrte Augen
Probleme mit der Futter- und Wasseraufnahme, Mühe beim Schlucken oder Hervorwürgen des Futters Achtung Erstickungsgefahr!
Probleme beim Kot- und Harnabsatz
Solche ¨Tetanus¨ Symptome müssen unbedingt möglichst rasch erkannt werden, damit unverzüglich mit einer Behandlung begonnen werden kann.
Diagnose von Tetanus
Da die Eintrittswunde oft sehr klein ist und nach mehreren Wochen nicht mehr auffindbar, ist der Nachweis des Erregers meist nicht mehr möglich.
Als Differenzialdiagnosen können verschiedene Intoxikationen, also Vergiftungen ausgeschlossen werden:
Metaldehydvergiftung
Organophosphatvergiftung
Strychninvergiftung
Bleivergiftung
Zusätzlich sollten Tollwut, Hirntumore, ein zu hoher Kalziumspiegel im Blut und weitere Erkrankungen ausgeschlossen werden.
Bei unklarer Symptomatik (v.a. im Anfangsstadium) kann durch eine Blutentnahme der Nachweis von Tetanustoxin-Antikörpern diagnostisch hilfreich sein.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die Krankheit ist behandelbar, wenn sie frühzeitig erkannt wird, erfordert aber eine intensive medizinische Versorgung, meist über mehrere Wochen. Nach Diagnosestellung wird mit der medikamentösen Antibiotikum Therapie begonnen. Wird die Eintrittspforte (Wunde, Stich, Schnitt) gefunden wurde, kann diese chirurgisch gesäubert werden. Tetanus-Patienten müssen bei einer schweren Symptomatik teilweise über eine längere Zeit per Infusion und Magensonde ernährt werden. Der Hund braucht eine umfangreiche Pflege, wie z.B. eine weiche Lagerung, Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr, die Gabe von Schmerzmitteln bei Muskelspasmen, sehr viel Ruhe und eine abgedunkelte, geräuscharme Umgebung.
Bei leichten Fällen ist die Prognose sehr günstig, bei länger anhaltenden und schweren Krankheitsverläufen müssen die Hunde oftmals euthanasiert werden.
Während der Behandlung kann es leider zu Komplikationen kommen. Häufige Komplikationen dieser Erkrankung sind: Lungenentzündung wegen Verschlucken, Hyperventilieren, Kehlkopf- und Atemmuskelspasmen mit Erstickungsanfällen und Atemstillstand.
Wie äusserte sich die Krankheit bei meinem Patienten Mokka, wie wurde er behandelt und was geschah danach?
Seinem Besitzer Enrico war zuerst aufgefallen, dass er nicht mehr viel frass und keine Lust zum Frisbee spielen hatte. Nach einigen Tagen frass und trank er mit offenem Mund und danach gar nicht mehr. Der Besitzer ging zum Tierarzt und Mokka bekam für einen Tag eine Infusion. Leider wurde es danach nicht besser und er konnte nicht mehr urinieren. Auch bekam Mokka eine sich stetig verschlechternde Gangstörung in den Hintergliedmassen und bald konnte er nicht mehr alleine aufstehen.
Enrico ging erneut zum Tierarzt. Mokka bekam wieder eine Infusion und es wurde versucht ihn zu füttern. Da dies nicht gelang, wurde er in eine Klinik überwiesen.
Die Klinik führte klinische und neurologische Untersuchungen durch.
Das Abdomen war übermässig angespannt, seine Muskulatur allgemein spastisch (erhöhte Muskelspannung) und der Palpebralreflex war beidseitig reduziert. Weiter wurden Blutuntersuchungen, ein Röntgenbild vom Thorax, ein Ultraschall das des Abdomen und ein Ganzkörper CT gemacht. Auf dem Röntgenbild wurde eine Spondylose entdeckt aber keine Hinweise auf eine aktiv- entzündliche infektiöse Herdläsion gefunden. Aus dem Ultraschall ergaben sich eine funktionelle Magenentleerungsstörung und eine hochgradig gefüllte Harnblase. Im CT wurden verschiedene leicht- mittelgradige Spondylosen in der HWS, BWS und LWS entdeckt sowie eine leichte Vorwölbung einer Bandscheibe. Auch in den Vordergliedmassen wurden in den Schulter- und Ellbogengelenken Deformationen und Unregelmässigkeiten gefunden. Nach der Auswertung aller Untersuchungen bestand der Verdacht auf Tetanus. Mokka bekam einen permanenten Harnkatheter, da er seine Harnblase nicht mehr selbständig entleeren konnte und diverse Medikamente u.a. eine Antibiotikumtherapie. Als sein Zustand soweit stabil war, überwies ihn die Tierklinik zur Überwachung während der Feiertage in eine Uniklinik. Auch die Uniklinik unternahm weitere Untersuchungen und bestätigte die Diagnose Tetanus. Mokka bekam eine Infusion und zusätzliche Medikamente, Physiotherapie und eine nasogastrische Sonde für die Ernährung. Nach 10 Tagen konnte er aus der Uniklinik entlassen werden. Neben der weiteren Gabe von Medikamenten empfahlen sie seinem Besitzer Physiotherapie und anfangs kürzere Spaziergänge zu machen. Mit dem Harnabsatz hatte er weiterhin etwas Mühe und benötigte längere Zeit dafür. 10 Tage später kam er zum ersten Mal zu mir.
So sah Mokka beim ersten Praxisbesuch aus
Wie habe ich mit Mokka gearbeitet?
Als ich ihn das erste Mal sah, war sein Allgemeinzustand gut, er war aufmerksam, klar und freundlich. Seine Haltung war angespannt und sein Rücken gekrümmt. Mokka war sehr stark abgemagert und das Skelett gut sichtbar. Vorne war er besser bemuskelt als Hinten.
Zu Beginn war sein Gangbild unsicher und er schleifte zeitweise die Hinterpfoten. Mehrere Nägel waren deshalb schon ganz kurz abgeschliffen. Ich riet seinem Besitzer Enrico, das Spazieren auf dem Asphalt möglichst zu vermeiden oder dem Hund Socken/Schuhe anzuziehen. Beide Tarsalgelenke zeigten eine Instabilität, rechts stärker ausgeprägt und beidseitig durchtrittig.
Als erstes habe ich den angespannten Körper durch verschiedene Massagetechniken in eine Entspannung gebracht. Zusätzlich habe ich mit Wärmebehandlungen, Lasertherapie, passivem Bewegen und mit einem reflexinduzierten Training gearbeitet. Auch habe ich Enrico einige Übungen als Hausaufgaben gegeben.
Dann waren die Stabilität und der Muskelaufbau das nächste Ziel. Mit gezielten Übungen und der Unterwassertherapie konnte ich diese verbessern und die Muskeln stärken. Massagen und Lasertherapie habe ich weiterhin angewendet. Er kommt immer noch einmal in der Woche zur Therapie, da er leider noch andere Probleme mit dem Bewegungsapparat hat.
Mokka hat sich aber sehr gut von seiner Erkrankung erholt und das Gewicht ist wieder auf einem normalen Stand. Er ist ein lieber, lebensfreudiger und aufgestellter Hund. Enrico und Mokka unternehmen wieder ausgedehnte Spaziergänge und geniessen diese bei jedem Wetter. Ich freue mich immer wieder über ihre Besuche und Mokka freut sich ganz besonders über die feinen Leckerli.
Und das ist Mokka Heute, er ist so ein hübscher und toller Hund:)
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